
Gerade haben wir das Jahr 2017 verabschiedet, dass neben den Dauerbrennerthemen Niedrigzinsumfeld und Digitalisierung auch ein paar Überraschungen für die (Versicherungs-)Welt bereithielt. Eine kleine Auswahl der wirtschaftlichen, politischen, technischen und gesellschaftlichen Themen, die die Assekuranz im vergangenen Jahr beschäftigten, zeigt unser Jahresrückblick.
Warten auf politische Einigung
61,5 Millionen Menschen waren am 24. September 2017 zur Wahl des 19. Deutschen Bundestags aufgerufen. Wer Deutschland jedoch künftig regieren wird, ist noch offen. Nach dem Scheitern der Sondierungsgespräche für eine Jamaika-Koalition aus CDU/CSU, Grüne und FDP im November wird derzeit die Neuauflage einer großen Koalition diskutiert. Aber auch die Optionen Minderheitsregierung und Neuwahlen sind noch nicht vom Tisch. Somit ist auch für die Versicherungswirtschaft noch nicht absehbar, welche Änderungen und Herausforderungen in der kommenden Legislaturperiode auf sie zukommen wird. Themen wie die Einführung einer Bürgerversicherung, die Umgestaltung der gesetzlichen Rentenversicherung oder die Stärkung der privaten Altersvorsorge werden aber mit Sicherheit eine wichtige Rolle spielen.
Transparente Renteninformationen gefordert
Im Juni wurde das sogenannte Betriebsrentenstärkungsgesetz, welches ab 2018 wirksam wird, verabschiedet. Mit Hilfe des Gesetzes soll die betriebliche Altersvorsorge, insbesondere in kleineren und mittleren Unternehmen, eine stärkere Verbreitung finden und Geringverdiener mit Zuschüssen unterstützen. Zudem sollen verschiedene Maßnahmen die Riester-Rente für Sparer attraktiver machen.
Dass es bei aller Unterstützung der privaten Vorsorge jedoch auch darauf ankommt, dass die Kunden über ihre Ansprüche und Möglichkeiten informiert sind, steht ebenfalls immer wieder zur Debatte. So sorgen, Berichten des GDV zufolge, zwar 70 Prozent der Beschäftigten vor, wie viel sie im Alter davon jedoch haben, kann nur ein Drittel sagen. Die Idee eines säulenübergreifenden Renteninformationsportals ist somit nicht neu, wurde 2017 jedoch wieder verstärkt diskutiert und fand sogar Einzug in das Wahlprogramm der FDP. Trotz vieler Befürworter scheitert eine Umsetzung bisher an den vielen verschiedenen beteiligten Parteien, der eindeutigen Identifikation der Beschäftigten sowie der Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Daten.
Lebensversicherungsbestände unter dem Hammer
Für großen medialen Wirbel sorgten Ende September/ Anfang Oktober die Ankündigungen von Generali und ERGO, ihre Altbestände an Lebensversicherungen in den Run-off schicken zu wollen. Alleine sind die Unternehmen mit dieser Strategie nicht. So konnte bereits im Juni die Arag ihr Lebengeschäft erfolgreich an die Frankfurter Gruppe, die bereits im Januar den Bestand der deutschen Basler Leben AG erwarb, verkaufen.
Zwar ändert eine Bestandsübertragung per se nichts an den Ansprüchen der Kunden und auch die BaFin beteuerte, jeden Interessenten genau zu prüfen, dennoch sorgten die Ankündigungen für Verunsicherung auf Verbraucherseite. Andere Marktteilnehmer nahmen dies zum Anlass, eine Bestandsübertragung kategorisch auszuschließen. So ließ Markus Faulhaber, Vorstandsvorsitzender Allianz Leben, verlauten: „Eine Lebens- und Rentenversicherung ist ein langfristiger Vertrag zwischen Versicherer und Kunde und basiert auf Vertrauen. Unsere Kunden müssen wissen, dass sie sich auf uns verlassen können – heute und in Zukunft.“
Wettbewerber wie die R+V, die Nürnberger Versicherung, die Talanx oder die Alte Leipziger folgten dem Beispiel des Marktführers.
Zwischenzeitlich teilte auch die ERGO mit, den Verkauf ihrer Altbestände zurückzuziehen, da die vorgelegten Angebote weder den Wert des Bestands noch dessen Wertentwicklungspotential widerspiegelten. Wie sich dies 2018 weiterentwickelt, bleibt abzuwarten. Einfacher wird es für die Lebensversicherer auf jeden Fall nicht, angesichts des weiter bestehenden Niedrigzinsumfelds, ihre Verpflichtungen zu erfüllen.
Finanzlage offengelegt
Nach Inkrafttreten der Solvency-II-Richtlinien 2016 wurden 2017 mit Spannung die ersten Berichte zur Solvenz- und Finanzlage (SFCR) erwartet, die die Versicherer nun jährlich vorzulegen haben. Wie die BaFin mitteilte, konnten alle berichtspflichtigen Einzelunternehmen die neuen Anforderungen an die Bedeckung erfüllen. Im Durchschnitt über alle Sparten hinweg betrug die Solvenzquote (SCR-Quote) 330 Prozent. Betrachtet nach Sparten erreichten die Lebensversicherer eine SCR-Quote von 344 Prozent, Krankenversicherer eine Quote von 423 Prozent und Kompositversicherer eine Quote von 286 Prozent. Die Qualität der Berichte schätzte die BaFin als positiv ein, nannte jedoch auch Verbesserungspotentiale und bemängelte fehlenden Umfang und Detailtiefe an verschiedenen Stellen. Hier werden für 2018 Verbesserungen angestrebt.
Digitalversicherer gehen an den Start
Auch 2017 blieb der InsurTech-Hype ungebrochen. Mittlerweile findet sich eine Vielzahl von Initiativen, die insbesondere die Kooperationen zwischen Versicherern und InsurTechs voran bringen möchten. 2017 stand jedoch nicht nur im Zeichen der Verbindung von Old-Economy und New-Playern, sondern auch im Zeichen der digitalen Neugründung. Sowohl etablierte Versicherer als auch neue Marktteilnehmer haben von der BaFin lizensierte Digitalversicherer ins Leben gerufen:
- Am 21. Juni 2017 nahm Ottonova den Geschäftsbetrieb auf und bietet seitdem private Krankenvoll- und -zusatzversicherungen an.
- Im März startete Friday seinen Probebetrieb. Das Unternehmen wird von der Baloise finanziert und bietet Kfz-Versicherungen, die eine kilometergenaue Abrechnung möglich machen sollen.
- Ebenfalls mit einer Kfz-Versicherung im Gepäck schickte die ERGO im Oktober das Start-up nexible ins digitale Rennen.
- Im Oktober erhielt auch das Start-up Element, das vom Company-Builder Finleap initiiert wurde, seine BaFin-Lizenz für den Kompositbereich. Element zielt allerdings nicht auf das Privatkundengeschäft ab, sondern will mittels Kooperation anderen Start-ups ermöglichen, spezifische Versicherungsdienstleistungen anzubieten.
- Hausrat- und Haftpflichtversicherungen sind seit Oktober auch beim Digitalversicherer One erhältlich. (Finanzielle) Rückendeckung erhält das Unternehmen von Initiator Wefox.
- Den Oktober suchte sich auch die Wüstenrot & Württembergische-Gruppe für den Start ihrer Digitalmarke Adam Riese aus. Als erstes Produkt wird eine private Haftpflichtversicherung angeboten.
- Noch im Aufbau befindet sich hingegen flypper, das erst im Laufe dieses Jahres an den Start gehen soll. Gründer Dominik Groenen verriet aber bereits, dass man keinen reinen Digitalversicherer erwarten solle, da er auch den persönlichen Kundenkontakt für wichtig erachte.
Cybersicherheit immer bedeutender
Untrennbar mit der fortschreitenden Digitalisierung verbunden ist das Thema der IT-Sicherheit. Bereits im Juli 2015 wurde das Gesetz zur Erhöhung der Sicherheit informationstechnischer Systeme (IT-Sicherheitsgesetz) eingeführt. Dieses verlangt, dass Unternehmen aus insgesamt sieben Branchen, die als Betreiber kritischer Infrastrukturen (KRITIS) von hoher Wichtigkeit für das Funktionieren des Gemeinwesens sind (§ 2 Abs. 10 BSI-G), verstärkte Meldepflichten gegenüber dem Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und strengere Richtlinien in Bezug auf den Stand der Technik zu befolgen haben. In 2017 Jahr folgte nun die Veröffentlichung der zugehörigen Rechtsverordnung.
Wie wichtig die Auseinandersetzung mit dem Schutz digitaler Systeme ist, zeigte u.a. die weltweite Cyberattacke durch die Schadsoftware WannaCry, welche Mitte Mai über 230.000 Computer in 150 Ländern befiel.
Das steigende Gefahrenpotential hat in den letzten Jahren immer mehr Versicherer in den Markt für Cyberpolicen einsteigen lassen. Diese Entwicklung zum Anlass nehmend, veröffentlichte der GDV im April 2017 unverbindliche Musterbedingungen für eine Cyberversicherungspolice, um Versicherern die Ausarbeitung eigener Angebote zu erleichtern. Die Bedingungen richten sich speziell an Cyberpolicen für kleine und mittlere Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von maximal 50 Millionen EUR.
Wir dürfen also gespannt sein, welche neuen Produkte in diesem Jahr auf den Markt kommen.
Vorbereitung auf die IDD
Die Umsetzung der IDD beschäftigte 2017 die Assekuranz, soll sie doch zukünftig für mehr Transparenz im Versicherungsvertrieb sorgen. Oberste Priorität haben dabei der Verbraucherschutz und dass alle Vertreiber, egal ob Makler, Vermittler, Versicherer oder der Internetvertrieb, nach den gleichen Spielregeln spielen. Zusätzlich wollte die Bundesregierung noch die Honorarberatung stärken und Maklern untersagen, zukünftige Mischvergütungen entgegenzunehmen. Dies konnte jedoch im letzten Moment durch starke Verbandsarbeit auf der Maklerseite verhindert werden. Die laut IDD geforderte 15-stündige Weiterbildungspflicht für alle am Vertrieb beteiligten Personen wurde ebenfalls ins nationale Recht überführt. Da zum Vertrieb neben der Beratung, Angebotserstellung und dem Abschluss auch die Vertragserfüllung, insbesondere im Schadenfall zählt, ist der weiterzubildende Personenkreis wesentlich größer, als zu Beginn vermutet. Bei Versicherungsanlageprodukten (Versicherungen mit Sparcharakter) soll zukünftig, wie im Bankensektor bereits über das MifiD geregelt, bis auf wenige Ausnahmen, der Anleger durch eine Geeignetheits- und Angemessenheitsprüfung vor Fehlinvestitionen geschützt werden. Am 23. Februar wird das IDD-Umsetzungsgesetz in Kraft treten.