Digital und unlizenziert: Digitale Assekuradeure auf dem Vormarsch

In den vergangenen Jahren hat sich ein mittlerweile dichter und heterogener Markt digitaler Assekuradeure entwickelt. In den Jahren 2016 und 2017 kam es zu einer regelrechten Gründungswelle, die sieben Start-ups hervorbrachte. Getsafe, massUp und Insurance Hero hatten zum Zeitpunkt ihrer Gründung 2015 jeweils noch ein anderes Geschäftsmodell, haben sich jedoch entsprechend der Marktanforderungen gewandelt und positionieren sich heute als digitale Alleskönner, aka Assekuradeure. Zuletzt kamen 2018 freeyou, als Initiative der DEVK Versicherung, und Segurio, mit namhaften Investoren wie ERGO und Chubb, hinzu. Allerdings konnten sich längst nicht alle von ihnen am Markt durchsetzen und sahen sich teilweise gezwungen, ihr Geschäftsmodell zu ändern oder vollständig die Segel zu streichen.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Analytik & IT
Themen:
Versicherungsvertrieb neue Geschäftsmodelle Digitalisierung Start-ups
Digital und unlizenziert: Digitale Assekuradeure auf dem Vormarsch

Was zeichnet die digitalen Assekuradeure aus?

Für den Begriff des klassischen Assekuradeurs gibt es keine Legaldefinition. Weitgehend Einigkeit[1] herrscht zumindest darüber, dass es sich um einen Versicherungsagenten handelt, der, aufgrund spezieller Vollmachten, berechtigt ist, insgesamt so aufzutreten, als sei er selbst Versicherer. Er kann für einen Risikoträger Versicherungsverträge abschließen, diese verwalten und Schäden regulieren.

Ursprünglich entstand die Spezies der Assekuradeure in Seelagen und der damit verbundenen Transportversicherung. Versicherer lagerten bereits im 19. Jahrhundert aufgrund des erforderlichen Fachwissens und der nötigen Erfahrungen zum Beispiel im Schifffahrtswesen und im Seerecht die Beurteilung von Risiken und deren Verwaltung an Experten aus. Den Assekuradeuren gelang es aufgrund ihrer Fachexpertise und der Nähe zum Kunden, deren individuelle Bedürfnisse zu erfassen und spezifische Deckungskonzepte zu gestalten.

Neben der detaillierten Vorstellung der neuen Akteure möchten wir gemeinsam mit Ihnen die Auswirkungen für die Assekuranz diskutieren.

Inzwischen gibt es weitere Ursachen für die Gründung von Assekuradeuren: Die meisten Versicherungsgesellschaften leiden unter ihrer historisch komplexen IT-Infrastruktur. Dadurch können schnelle Produktentwicklungen oder andere notwendige Leistungen oft nur unzureichend oder viel zu langsam entwickelt werden. Aus diesem Grund setzen einige Versicherer auf eigene Assekuradeure als „Schnellboote“, die es ermöglichen, die Nachteile der eigenen IT zu kompensieren und agiler am Markt aufzutreten.

Bei den jüngsten Neugründungen sprechen wir von digitalen Assekuradeuren, deren Gemeinsamkeit darin besteht, den Fokus auf Prozessinnovationen in Form volldigitaler end-to-end-Lösungen zu legen. Dies ermöglicht zumeist die vollständig digitale Schadenbearbeitung und Vertragsverwaltung. Darüber hinaus zeichnen sich die neuen Player durch professionalisierte Strukturen, diversifizierte Teams, Branchenexpertise und überdurchschnittlich hohe Fundings aus.

Im Vergleich zu Digitalversicherern können sie auf die Bafin-Lizenz verzichten, denn das versicherungstechnische Risiko für die vielseitigen Produkte der digitalen Assekuradeure übernehmen ihre Partner, mit denen sie häufig geschäftlich und strategisch sehr eng verbunden sind. So agiert beispielsweise Adam Riese als digitale Marke der W&W-Versicherung, während freeyou von der DEVK Versicherung initiiert wurde. Als reine Rückversicherer fungieren hingegen die MunichRe für TONI Digital und Getsafe sowie die NV Versicherung für helden.de.

Auf der grünen Wiese: eine heterogene aber wenig innovative Produktlandschaft

Die aktuell bestehenden digitalen Assekuradeure zeichnen bezüglich des Produktportfolios ein recht heterogenes Bild. Obwohl alle im Privatkundenbereich aktiv sind, spezialisieren sie sich dabei in der Regel zunächst auf einzelne Versicherungszweige. So bieten beispielsweise Automate und TONI Digital Kfz-Versicherungslösungen an, so wie mittlerweile auch freeyou, nachdem sie ursprünglich mit Fahrrad- und E-Bike-Versicherungen gestartet sind. COGITANDA hat sich wiederum auf Cyber-Versicherungen spezialisiert und Fintiba bietet ausschließlich Lösungen für ausländische Studierende. Die Assekuradeure Adam Riese und COGITANDA halten zusätzlich Versicherungslösungen für den gewerblichen Bereich bereit.

Das ist sicherlich vielfach nur der Beginn. Getsafe und Adam Riese machen vor, was andere vielleicht schon planen: Sie erweitern sukzessiv ihr Portfolio und bieten Policen aus den Bereichen Sach-, Lebens- und Krankenzusatzversicherungen an, beziehungsweise planen den Launch in den kommenden Monaten. Um Produkte und Neuerungen noch schneller und freier anbieten zu können, geht Getsafe sogar noch einen Schritt weiter und hat überraschend die Zulassung der Finanzaufsicht Bafin für die Schaden- und Unfallversicherung beantragt.

Aktuell ist noch nicht zu erkennen, ob die digitalen Alleskönner neben den prozessualen Vorteilen zukünftig auch der ursprünglichen Zielstellung des Assekuradeurs nachkommen und aufgrund eines besseren Verständnisses der Kundenbedürfnisse mit individuellen Deckungskonzepten einen zusätzlichen Kundennutzen erschaffen. In den kommenden Jahren wird sich zeigen, welchen Akteuren es gelingt, einen spürbaren Mehrwert – sei es aufgrund prozessualer Exzellenz oder der kundenorientierten Produktgestaltung – zu erbringen und sich darüber im Wettbewerb abzugrenzen.

Sie wollen dieses Thema mit mir diskutieren und vertiefen? Am 20. Mai 2020, 11:00 Uhr bieten wir Ihnen im einstündigen Webinar „Digitale Assekuradeure“ dazu Gelegenheit.

Die detaillierte Vorstellung der Geschäftsmodelle können Sie außerdem der aktuellen InsurTech Übersicht des New Players Network entnehmen.

[1] in Anlehnung an die Definition des Kammergerichtes Berlin (KG Berlin, Urt. vom 9.11.2014, Az 14 U 27/03)