Versicherung und Digitalisierung: Warum die Branche jetzt handeln muss

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Analytik & IT
Themen:
Digitalisierung Digital Advisors
Versicherung und Digitalisierung: Warum die Branche jetzt handeln muss
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In der InsurTech-Szene wird gerne darauf verwiesen, wie mutig Technologieunternehmen bei der Digitalisierung voranschreiten. Aus dem Erfolg von US-Firmen wird dann abgeleitet, heimische Versicherungen müssten gleichfalls auf Innovation und Disruption ihrer Geschäftsmodelle setzen. Offen bleibt aus Sicht deutschsprachiger Versicherer häufig die Frage: Warum sollten wir uns daran orientieren, was Tech-Unternehmen im Silicon Valley machen? Welche Relevanz sollte das Vorgehen der Softwarebranche für die Zukunft der Versicherungen in der DACH-Region haben? Und: Warum sollte ich das gerade jetzt ernst nehmen, wo doch schon seit Jahren Panikmache betrieben wird?

Es gibt dafür mehrere Gründe. Einer davon ist das mittlerweile gesicherte Wissen um die absolute Kundenkenntnis, die sich diese Unternehmen erarbeitet haben: Apple, Google, Amazon und andere wissen fast alles über uns – und damit über die allermeisten Versicherungskunden in Deutschland.

Diese Digitalriesen wissen, wie viel und wie gut wir schlafen (Gesundheits-Apps). Sie kennen unser Fahrverhalten (Navigation, Kartendienste). Sie wissen, wie wir uns bevorzugt ernähren (Navigation, Liefer-/Payment-Dienste), wie es um unseren gesellschaftlichen Status bestellt ist (Kommunikation/soziale Netzwerke) und wie viel Sport wir treiben (Fitness-Tracker). Sie wissen, wie viel Geld wir verdienen und wie wir damit umgehen (Payment-/Finance-Dienste). Sie wissen, was unsere Pläne und Ziele sind (Kalender/ToDo-Tracker/Blogs) und wie wir uns darauf vorbereiten (Cloud-Anwendungen/-Speicher).

In dieser Fülle aus Wissen steckt ein Teil der Antwort auf die Frage, warum die Digitalisierung und das Treiben der Tech-Giganten für Versicherungen relevant sind: Wer Menschen versichert, der lebt davon, Menschen zu kennen – denn nur, wer menschliches Leben und Verhalten prognostizieren kann, kann seine Policen wirtschaftlich und wettbewerbsfähig kalkulieren. Welcher Versicherer kann ernsthaft behaupten, seine Kunden und Interessenten so gut zu kennen, wie es eine digitale Rund-um-die-Uhr-Beobachtung ermöglicht?

Wer treibt die Digitalisierung der Versicherung voran?

In dem Buch „How Google Works” von Ex-CEO Eric Schmidt und Jonathan Rosenberg gibt Google Einblicke, wie das Unternehmen seine eigene Strategie zu perfektionieren sucht. Einer der enthaltenen Tipps ist, sich regelmäßig die Frage „What if Amazon?” zu stellen: Die Übung zielt darauf ab, zu überlegen, wie ein kompetenter und finanzstarker Wettbewerber das eigene Geschäft torpedieren könnte. Für das Versicherungswesen also: „Was würde mit uns passieren, wenn Amazon morgen beschließt, gleichwertige Versicherungen wie wir zu verkaufen?”

Diese Frage sollte in den hiesigen Vorstandsetagen für Nervosität sorgen – denn sie ist beileibe kein Hirngespinst technologiegläubiger Zukunftsnerds. Verkaufte Objekte auch gleich zu versichern, ist etwa beim Optiker oder Elektronikmarkt schon lange möglich und üblich. Aber damit muss nicht Schluss sein: Amazon hat schon vor Jahren – vom Mainstream ziemlich unbemerkt – damit begonnen, Kredite an Händler und Verkäufer der eigenen Plattform zu vergeben. Das leuchtet ein: Amazon kennt deren Umsatzzahlen, Geschäftsentwicklung und Marktstärke besser als die meisten anderen – und hat zudem häufig einen Warenbestand im eigenen Lager, der als Sicherheit dienen kann. Wer glaubt, es handle sich dabei um ein PR-Experiment oder Kleckerbeträge, tut sich keinen Gefallen: „Amazon Lending” hat bereits ein Milliardenvolumen an Krediten vergeben und mit „Amazon Protect” ist auch die hauseigene Tochter für den Versicherungsbereich bereits Realität.

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„Alexa, was ist die beste Versicherung für mich?“ – angesichts der wachsenden Sensoren- und Datenflut eine naheliegende Entwicklung des Kundenverhaltens. Quelle: amazon-presse.de

Dies ist einer der Gründe dafür, Digitalisierung gerade jetzt ernst zu nehmen und sich darauf strategisch auszurichten: Die Innovationstreiber der Versicherung entstehen immer stärker außerhalb der Branche. Fragen wir uns also: „What if Amazon?” Was, wenn ein Unternehmen mit einer 10-mal höheren Marktkapitalisierung als Europas wertvollster Versicherer, die Allianz, Jagd auf deutsche Kunden macht? Ein Unternehmen, mit dem 91 % aller Online-Shopper bereits eine aktive Geschäftsbeziehung pflegen und das für exzellenten Service und Kundennähe bekannt ist?

Was, wenn Google seinen Nutzern ab diesem Jahr Policen per 1-Klick-Kauf anbietet – weil deren Daten und Risikoprofil dort bereits seit Jahren bekannt sind bzw. ihre Bedarfe zuverlässig antizipiert werden können?

Bisher scheint die Strategie für diesen Fall vor allem aus zwei Komponenten zu bestehen:

  1. Das Betonen der Tatsache, dass es noch nicht dazu gekommen ist.
  2. Das Beharren auf die eigene Erfahrung als Wettbewerbsvorteil, falls es doch so käme.

Ersteres ist freilich reine Glückssache – und Glück ist ein fragwürdiges Substitut für Strategie. Klar ist: Es kann sein, dass Tech-Unternehmen dieses Jahr ernst machen, es kann aber auch sein, dass nicht – hier wurde in der Vergangenheit häufig „alarmistischer Hype“ verbreitet. Aber: Welchem Manager oder Mitarbeiter würden Sie es durchgehen lassen, Jahr um Jahr den Fortbestand ihres Verantwortungsbereichs darauf zu verwetten, dass dieser Fall definitiv nicht eintritt?

Zweiteres ist ein Missverständnis dahingehend, wie digitale Märkte funktionieren: „100 Jahre Erfahrung im Versicherungsgeschäft” bedeutet nämlich auch 100 Jahre Ballast hinsichtlich der eigenen Organisation, Prozesse und Trägheit – in Zeiten der digitalen Ungeduld ein großer Risikofaktor. Es ist ein Trugschluss, mit dem sich das Versicherungsmanagement selbst beruhigt: Das Wissen darüber, wie das Geschäft vor 10, 20 oder 100 Jahren funktioniert hat, ist heute kein Wettbewerbsvorteil – massenhaftes Wissen darüber, wie Menschen heute agieren und Kaufentscheidungen treffen, gepaart mit einer konsequenten Kundenorientierung und Exzellenz in der Umsetzung/Anpassung hingegen sehr wohl. Wer die Nase vorne hat, ist an den jeweiligen Geschäftsentwicklungen einfach abzulesen: Das Wachstum am Versicherungsmarkt stagniert seit Jahren, wenn man Vertrags- und Umsatzzahlen betrachtet – Apple und Amazon hingegen haben jüngst den Börsenwert von einer Billion Dollar überschritten; Google und andere steuern in die gleiche Richtung.

Die Emanzipation der Technologie

Die bekannte Venture-Capital-Firma Andreessen Horowitz (Urheber des inoffiziellen Digitalisierungsmottos „Software is eating the world”) hat vor kurzem ihre Prognose abgegeben, welche fünf Technologietrends 2019 besonders relevant sein werden. Neben konkreten Feldern wie Krypto- und Bio-/Gesundheitstechnologien sind darunter zwei Punkte aufgeführt, die deutlich machen, wie sich die Spielregeln verändern:

  1. Die Entstehung einer neuen Tech-Ära, in der Technologie alle Aspekte des Lebens verändert.
  2. Die Entstehung gänzlich neuer Geschäftsmodelle, die weit mehr als früher auf Erkenntnissen über menschliches Verhalten und dessen Veränderung basieren.

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Tech is Life: Immer mehr Aspekte unseres Lebens werden von Technologie nicht nur begleitet, sondern geprägt.

Die Bedeutung von Technologie wandelt sich also fundamental: Sie wird vom bloßen Werkzeug zur Beschleunigung von Offline-Prozessen zu einem kulturellen Bestandteil unserer Zivilisation. Schon heute ist ein Internetausfall für junge Menschen gleichbedeutend mit einem Stromausfall, ist der Austausch via Internet/Messaging für unter 30-Jährige so selbstverständlich wie jede andere Form der Kommunikation. Die oft noch vorherrschende gedankliche Trennung von digitaler und nicht-digitaler Welt wird von nachfolgenden Generationen überhaupt nicht mehr verstanden werden. Dieses Jahr wird daher eines der letzten sein, in denen überhaupt noch von „digitalen Strategien” gesprochen wird: In zehn Jahren werden die verbliebenen Versicherer nur noch von „Strategien” sprechen.

Was Digitalisierung ausmacht

Digitaler Wandel entsteht aber nicht dort, wo alte Prozesse und Medien unreflektiert in Einsen und Nullen umgewandelt werden: Eine bunte Online-Übersicht aller Policen, Filialen und Servicerufnummern ist keine Innovation – es ist eine simple Kopie von Broschüren und Telefonlisten, die dann eben auf Displays statt auf Papier betrachtet werden.

Einer unserer Kunden sagte mir letztes Jahr: „Ich habe das Gefühl, dass unsere Kundenorientierung auf den digitalen Kanälen abnimmt: Wir kippen dem Kunden immer mehr Dokumente ohne Erklärung einfach in den Schoß – und weil das Ganze ‚digital‘ stattfindet, klopfen wir uns dafür auch noch auf die Schulter!“

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Papierkrieg online: Wenn alte Einschränkungen einfach mit digitalisiert werden, entsteht kein digitaler Wandel.

Die Deutsche Bank hat sich daher jüngst mit dem InsurTech-Unternehmen Friendsurance zusammengetan, um Bancassurance neu zu denken. Oliver Weigelt, Head of Digital Insurance auf Seiten der Bank, bringt den Grund dafür auf den Punkt: „Der Kunde möchte heute nicht nur ein Konto – er möchte sein Problem gelöst haben.”

Zwischen den beiden Partnern entsteht nun ein Service, der Kunden auf Basis ihres tatsächlichen Kaufverhaltens individuell angepasste Angebote für Sachversicherungen machen soll. Das Problem, eine passende Versicherung suchen und auswählen zu müssen, wird so nicht nur vereinfacht: Es wird vollständig eliminiert.

Auch branchenintern wächst die Erkenntnis, dass der Kunde nicht nur eine Police kaufen, sondern sein Problem gelöst sehen möchte. „Die Vielfalt der Wettbewerber nimmt stetig zu, entsprechend reichhaltiger wird das Angebot für die Kunden“, sagt Klaus Wiener, Chefökonom beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Die Vielfalt der Wettbewerber wohlgemerkt, nicht nur ihre bloße Anzahl: Die Frage, wie ich meine Kunden erreiche, überzeuge und nachhaltig begeistere, wird im Vergleich zu Preis und Details der Police wichtiger – und sie verlangt nach digitalen Antworten.

Wie gut sind „gute Argumente” gegen Innovationen wirklich? 

Es gibt trotz allem viele Gründe, Innovationen und Projekte zur Digitalisierung abzulehnen. Einer, den ich von Versicherungen häufig höre, lautet: „Unsere Kunden/Mitarbeiter/Makler sind für Veränderungen an dieser Stelle nicht offen.“

Auf den ersten Blick erscheint das wie ein Totschlagargument; insbesondere, wenn die Aussage vielleicht sogar durch Befragungen o. ä. untermauert wurde: Warum sollte man in Innovationen investieren, die nachweislich nicht gefragt sind? Ich möchte hierzu gerne zwei Rückfragen stellen:

  1. Wenn man eine Umfrage dazu machen würde, ob der Versicherungsmarkt 2020 gerade Ihr Unternehmen braucht, wie würde die ausfallen – und würden Sie sich an das Votum gebunden fühlen?
  2. Wenn Ihre heutige Zielgruppe mit Neuem fremdelt und Sie weiterhin nur dieses Klientel bedienen – halten Sie das für langfristig gesund oder wollen Sie irgendwann auch neue Kunden/Mitarbeiter/Makler gewinnen?„Mangelnde Offenheit” als Entscheidungsgrundlage führt in eine strategische Sackgasse: Würde man das Argument ernst nehmen, müsste man sich als Versicherung konsequent der Zukunft verweigern und dürfte keinerlei eigene Akzente in den Markt einbringen.

    Das erste Smartphone, Onlineversandhaus oder Elektroauto entwickelt man so nicht; die Versicherung der Zukunft wird man ebenso wenig auf diese Weise. Übrigens: Auch eine Webseite, E-Mail und Social Media hätte man seinerzeit mit Verweis auf Branchenbücher, Telefon- und Faxgeräte ablehnen müssen. Ein Angebot, das nicht existiert, kann nun mal niemanden begeistern.

Die richtige Strategie entwickeln: Reflektionsfragen zur Hilfestellung

Wie muss nun eine Digitalstrategie aussehen, die Versicherungen nach vorne bringt? Es gibt keine Antwort auf diese Frage – oder vielmehr: Es gibt so viele Antworten, wie es Versicherer gibt. Einige Reflektionsfragen, die bei der Suche nach Handlungsfeldern hilfreich sein können (teilweise von How Google Works inspiriert):

  • Was unterscheidet uns aus Kundensicht wirklich vom Wettbewerb? Gibt es „unfaire Vorteile“, die uns begünstigen?
  • Wie gut funktioniert unsere firmenweite Zusammenarbeit? Wie gut funktioniert sie standortübergreifend/mit Maklern o. a. strategischen Partnern?
  • Gibt es intern einen ungehinderten Informationsfluss oder werden wichtige Infos in Silos/an Schlüsselfunktionen (z. B. bei Stabsstellen/Führungskräften) konsolidiert?
  • Was sind Beispiele für gelungene/gescheiterte Innovationsvorhaben bei uns? Haben wir Probleme eliminiert oder nur erträglicher gemacht?
  • Wenn unser Unternehmen erst heute gegründet würde – was würden wir anders gestalten?
  • Wie sieht die Customer Journey unserer Kunden/Interessenten aus? Was davon entspricht dem Streben nach Kundenzentrierung und was ist das Ergebnis interner Anforderungen/Bürokratie?
  • Wie werden bei uns Entscheidungen getroffen? Gibt es ein Streben nach Konsens oder nach Exzellenz? Können sich die besten Ideen unabhängig von ihrer Herkunft durchsetzen oder bedarf es einer Genehmigung? Beruhen Entscheidungen auf Daten und Fakten oder auf „Erfahrungswerten“ bzw. Seniorität/Rang?
  • Wie viele unserer Spitzenkräfte sehen sich in drei Jahren noch bei uns? Wie viele würden für 10 % mehr Gehalt die Firma wechseln?
  • Wie verteilen wir unsere Ressourcen auf Kerngeschäft/aufkommende Trends/radikale Neuerungen?

Wir bei smoope konzentrieren uns mit unseren Kunden weiter auf unser Spezialgebiet, die Digitalisierung der Kommunikation: Wir werden 2019 noch mehr Webseiten, Apps und Portale mit unseren Messaging-Lösungen dialogfähig machen und die digitale Mensch-zu-Mensch-Kommunikation weiter vereinfachen. Wir tun das gemeinsam mit Versicherern, die auch online keine Abstriche hinsichtlich persönlicher Betreuung und Kollaboration machen wollen. Mit Unternehmen, die die Zukunft nicht nur abwarten, sondern aktiv gestalten wollen – eine Chance, die meiner Meinung nach der beste Grund überhaupt ist, Digitalisierung heute ernst zu nehmen.

Wie denken Sie über die Digitalisierung in der Versicherung? Verraten Sie es uns – auf LinkedIn, bei Twitter oder per E-Mail an tom@smoope.com.

Der Beitrag ist von unserem New-Players-Network-Mitglied smoope: Messaging-Lösungen von smoope wandeln Webseiten, Apps und Portale in digitale Kommunikationskanäle – 100% kundenorientiert, kompatibel mit Ihrer IT und absolut sicher (made & hosted in Germany).